Wohin geht Orgelmusik heute? Pop, Rock und Filmmusik auf der Orgel?

Im Gegensatz zu früheren Zeiten in der Musikgeschichte ist heute ein hohes Spektrum an unterschiedlichsten Musikstilen in der Orgelmusik zu beobachten. Von den verschiedensten Formen der zeitgenössischen Musik, von Weiterentwicklungen von Stilen aus dem 20. Jahrhundert, von sogenannten „neoromantischen“ Werken, von experimenteller Musik bis hin zu Einflüssen aus der Popularmusik oder der Jazzmusik finden und suchen Komponisten heute nach dem Weg in die Zukunft. Aber was zeichnet diese Musik aus, wie kann sie als greifbarer Zeitgeschmack in der Orgelmusikwelt beschrieben werden? Wie kann Orgelmusik in der heutigen, durch vielfältige Ablenkungen geprägten Zeit einen Weg zu den Menschen finden, sie begeistern und bewegen?

Einflüsse aus der Popularmusik

Eine Antwort besteht möglicherweise in der Darstellung von bereits bekannter Popular-, Rock- oder Filmmusik auf der Orgel. Durch den Bekanntheitseffekt und den Wiedererkennungswert der Stücke werden Menschen unterschiedlichsten Alters angesprochen. Da bereits eine Verbindung zum bestehenden Pop-Klassiker, Rock-Hit oder bekanntem Film besteht, findet sich der Zuhörer schnell in vertrauten Gefilden wieder, die durchaus um interessante Klangeffekte aufgrund der „exotischen“ Darbietung bereichert werden. Dies ist durchaus nichts Neues, denn selbst zu Zeiten Johann Sebastian Bachs und davor wurden bereits „weltliche“ Lieder mit anderem Text versehen und im kirchlichen Kontext gebraucht oder später ganze Orchester – oder Opernwerke bearbeitet und auf Tasteninstrumenten dargestellt. Wie auch schon früher, hängt alles von der Umsetzung und der Qualität der Übertragung ab.

Somit sind allgemein bei dieser Form der heutigen Orgelmusik, wobei hier generell nur vom Bereich des freien Orgelspiels ausgegangen wird, besondere Maßstäbe an die Qualität zu legen. Abgewogen werden müssen hier Inhalt, stilistische Mittel, Charakter, Aussage sowie Art und Weise der Darbietung. Auch experimentelle Ideen und Einflüsse mit teilweise absurden Auswüchsen müssen kritisch hinterfragt werden: beispielsweise würde im Gegensatz zu dem sein Instrument am Ende des Konzerts demolierenden Rock-Gitarristen das Zerschlagen von Orgelpfeifen durch den Organisten beim Zuhörer eher andere Emotionen wachrufen als Begeisterung oder Ekstase – allerhöchstens Schock oder auch Ärger beim Besitzer des Instruments. Auch wenn es heutzutage kaum noch Tabus gibt, so ist der Musiker doch für die dargebotene Musik und ihre Auswirkung auf den Zuhörer verantwortlich und sollte sich in jedem Fall über die Angemessenheit Gedanken machen… Hier sind allgemein der Geschmack, das Gefühl für den Rahmen sowie Verantwortungsbewusstsein gefragt.

Auch sollte die für sich selbst gespielte oder konzertant aufgeführte Musik von der Kirchenmusik abgegrenzt werden. Sieht man von Jugendgottesdiensten einmal ab, so hat die Orgelversion von „Fluch der Karibik“, ebenso wenig wie „Highway to hell“ nichts im Sonntagsgottesdienst verloren.

Darstellung und Effekt

Viele Stücke können auch nicht mit der gleichen Wirkung wie das Original oder nur mit erheblichem Aufwand auf die Orgel übertragen werden. Auch wenn es so manche Hochzeitsgesellschaft zunächst nicht wahrhaben möchte, aber es ist manchmal sinnvoller, das Original mit Sänger und Band oder gar komplett vom „Band“ zu hören als in einer krampfhaften Orgelfassung eine nur mäßige Interpretation geliefert zu bekommen. Auf die kontroverse Frage nach einer klaren Abgrenzung von weltlicher und kirchlicher Musik in einer kirchlichen Hochzeitsfeier wird hier dabei nicht eingegangen.

Auf der anderen Seite sollte man bei aller Vorsicht und bei allen Hürden auch nicht den Geschmack an Neuem verlieren. Denn auch musikalische Gegensätze und das Unerwartete für den Zuhörer sind sehr reizvoll und bringen frischen Wind ins Denken und Empfinden von Darbietendem und Publikum. Das Rückbesinnen auf frühere Konzepte in der Musik, deren Synthese mit neuen Entwicklungen in der Technik und dem Zeitgeist, aber auch das Einlassen auf gänzliche neue Formen haben in der Musikgeschichte seit jeher ihren Platz. Nur dort, wo sich Neues parallel zum bisher Bewährten entwickeln kann ohne den gesunden Menschenverstand und das Gefühl für das Richtige und Angemessene zu verlieren, kann Musik lebendig, kann Musik wirklich Kunst und Emotion sein.

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